Interview: plus-MINT leistet einen Beitrag zur Stärkung der Wirtschaft

 

20. Februar 2024

Wie steht es aktuell um die MINT-Bildung in Deutschland? Dieser Frage geht u.a. das MINT Nachwuchsbarometer nach. Der jährliche Trendreport legt erneut den enormen Handlungsbedarf zur Stärkung der Bildung in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik offen.

Seit 2015 gibt es das plus-MINT Programm und richtet sich an die besonders talentierten Schülerinnen und Schüler in den Naturwissenschaften, also an die Spitze, und ermöglicht ihnen eine entsprechende Förderung auf hohem akademischen Niveau. Eine Maßnahme, die die ehemalige Bundesministerin für Bildung und Forschung, Anja Karliczek, im Rahmen der Vorstellung der Pisa-Ergebnisse im Dezember 2019 gefordert hat.

Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein. Denn jedes Kind, jeder Mensch hat Anspruch auf gute Bildung. Und außerdem ist unser Wohlstand in Deutschland auf Innovation, Erfindergeist, Exzellenz und nicht auf Mittelmaß gegründet. Wir müssen allen klarmachen, dass Durchschnitt für Deutschland nicht ausreicht.
— Anja Karliczek

Im Interview erklärt der Geschäftsführer des Vereins zur MINT-Talentförderung, Sven Meier, warum das plus-MINT Programm diese Forderung längst aufgreift und einen echten Beitrag zur Stärkung des Innovations- und Wirtschaftsstandort leistet.

Sehr geehrter Herr Meier, was hat Sie dazu bewogen, sich für die Förderung von MINT-Talenten einzusetzen?

Zu Studienzeiten habe ich sieben Jahre lang im Nachwuchsleistungszentrum von Holstein Kiel junge Fußballtalente trainiert und gefördert. Zu sehen, wie sich junge Menschen durch Training, Talent und Fleiß weiterentwickeln ist eine große Freude. Einige dieser Talente werden Profifußballer und sind am Ende nur deshalb so erfolgreich, weil sie eine systematische Talentförderung erfahren und weil es Menschen gibt, die sich mit hohem persönlichen Aufwand intensiv um diese Talente kümmern. Nun ist es aber offensichtlich so, dass unser Wohlstand nicht durch den Fußball zustande kommt, sondern durch den Innovationsvorsprung unserer Unternehmen - durch die besseren Erfindungen und Patente. Daher war mir als Pädagoge und Bildungswissenschaftler stets die Bedeutung von MINT-Bildung für die Gesellschaft wichtig. Die Welt wird zunehmend technologisch und digital, daher ist es von großer Wichtigkeit, junge Menschen auf diese Herausforderungen vorzubereiten. Ein positives Beispiel hierfür ist eben das bundesweite plus-MINT Programm, welches ich 2015 u.a. gemeinsam mit meinen Vorstandskollegen Dr. Peter Rösner und Thomas Laqua auf den Weg gebracht habe.

Welchen Beitrag leistet das plus-MINT Programm zur Förderung dieser besonderen Talente?

Plus-MINT ist ein Talentförderprogramm, das derzeit an sechs deutschen Internatsgymnasien (Anm. d. Red.: zwei staatliche Internate und vier private Internate) angeboten wird und, was ganz wesentlich ist, unabhängig der sozialen Herkunft zugänglich ist. Die Grundidee des Programms stammt wie eben ausgeführt aus den Nachwuchsleistungszentren des Deutschen Fußball-Bundes. Das plus-MINT Programm ermöglicht besonders begabten und talentierten Schülerinnen und Schülern, ihre Fähigkeiten in den MINT-Fächern in homogenen Leistungsgruppen in einem vierjährigen Programm auszubauen, zu vertiefen und sich so optimal auf ein späteres Studium oder eine berufliche Laufbahn im MINT-Bereich vorzubereiten. Zudem bietet es eine intensive Förderung – deutlich über dem akademischen Niveau des Regelabiturs - und ermöglicht den Teilnehmern einen tieferen Einblick in die Welt der Wissenschaft und Technologie. Die Schülerinnen und Schüler erhalten Zugang zu innovativem Unterricht, modernen Lernmethoden und Lehrmaterialien. Darüber hinaus nehmen sie regelmäßig an spannenden Projekten und Wettbewerben teil, um ihre Fähigkeiten in praxisorientierten Projekten zu erweitern. Bei Jugend forscht sind wir z.B. regelmäßig erfolgreich im Bundesfinale vertreten.

Warum findet das Programm ausschließlich an Internaten statt?

Für uns sind Internate die optimalen Standorte, da das Programm nicht nur die fachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler fördert, sondern auch ihre persönliche Entwicklung und ihre sozialen Fähigkeiten in den Blick nimmt. Die Teilnehmer lernen, eigenständig zu denken, kreativ zu sein, gemeinsam im Team zu arbeiten und sich in einer Gruppe zu behaupten. Das alles braucht viel Zeit und die gibt es im Internat genug. Zudem entwickeln die Schülerinnen und Schüler eine positive Einstellung zur Wissenschaft und Technologie und werden zu motivierten und engagierten Persönlichkeiten, die sich in Zukunft für die Weiterentwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft einsetzen.

Wie sieht Ihre Vision für die Zukunft der MINT-Talentförderung im Allgemeinen aus?

Zuerst möchte ich betonen, dass es mittlerweile zahlreiche wirklich gute schulische und außerschulische Angebote im MINT-Bereich gibt. Aber eben überwiegend “nur” für die Breite.

Meine Vision ist es, dass auch die Förderung von Top-Talenten zu einem integralen Bestandteil der deutschen Bildungslandschaft wird. MINT-Bildung darf sich nicht auf die Breite und einzelne Fächer beschränken, sondern muss in allen schulischen Bereichen fest verankert sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur die grundlegenden Fähigkeiten und Kenntnisse in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik erlernen, sondern auch die Fähigkeit entwickeln, diese in der Praxis anzuwenden und kreative Lösungen für komplexe Probleme zu finden. Dazu müssen die Lehrpläne und Unterrichtsmethoden kontinuierlich weiterentwickelt und an die aktuellen Anforderungen angepasst werden. Wenn man ein echtes Talent hat, dann ist es enorm wichtig, dass diese jungen Menschen frühzeitig gefördert werden und die Möglichkeit haben, sich intensiv mit der eigenen Neugier auseinanderzusetzen. Nur dann kann man Talent weiterentwickeln und erkennen. Dafür sind selbstverständlich qualifizierte Lehrkräfte, moderne Lernsettings und ausreichende Ressourcen erforderlich. Darüber hinaus müssen die Schulen und Lehrkräfte unterstützt werden, um die MINT-Fächer attraktiv und interessant zu gestalten und den Schülerinnen und Schülern die Freude am Lernen zu unterstützen. In den plus-MINT Internaten arbeiten wir mit multiprofessionellen Teams, die sich sehr bewähren und die Qualität von MINT-Unterricht auf ein neues Level heben.

Welche langfristigen Auswirkungen hat die Förderung von MINT-Talenten auf das deutsche Wirtschaftssystem?

Die Förderung von MINT-Talenten trägt maßgeblich zur Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft bei. Durch die Ausbildung hochqualifizierter Fach- und Führungskräfte können Unternehmen auch in Zukunft innovative Technologien entwickeln und sich so auf dem globalen Markt behaupten. Die MINT-Talente können die zukünftigen Innovatoren und Entwickler werden, die maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands beitragen können. Sie bringen frische Ideen und kreative Lösungen in die Unternehmen ein und helfen ihnen, sich den Herausforderungen des digitalen Wandels und der globalen Konkurrenz zu stellen. Darüber hinaus sind diese jungen Menschen wichtige Impulsgeber für die Wirtschaft. Sie treiben die technologische Entwicklung voran, schaffen neue Arbeitsplätze und tragen zum Erhalt und im besten Fall zur Steigerung des Wohlstands bei. Die Förderung von MINT-Talenten ist daher nicht nur im Interesse der Schülerinnen und Schüler, sondern auch im Interesse der gesamten Gesellschaft und Wirtschaft.

Wie reagieren die Schülerinnen und Schüler auf das plus-MINT Programm?

Die Schülerinnen und Schüler reagieren äußerst positiv auf das Programm. Sie schätzen die Möglichkeit, sich deutlich intensiver mit MINT-Themen auseinanderzusetzen und ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln als es an der Tages- bzw. Regelschule möglich ist. Sie sind hochmotiviert und engagiert, ihre eigenen Ideen einzubringen und an spannenden Projekten und Wettbewerben teilzunehmen. Sie genießen die individuelle Förderung und die Unterstützung durch die Lehrkräfte und durch Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Besonders schätzen sie die praxisorientierten Workshops und die Möglichkeit, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in der realen Welt anzuwenden. Wir nennen das „real problems to real people“. Besonders stolz sind sie darauf, zu bundesweit ausgewählten Top-Talenten zu gehören die die Chance erhalten, optimal auf ihre Zukunft vorbereitet zu werden. Es haben sich für das kommende Schuljahr bereits über 100 junge Menschen für das Programm beworben. Das spricht für sich.

Was sind die nächsten Schritte für den Verein zur MINT-Talentförderung?

Der Verein zur MINT-Talentförderung wird das plus-MINT Programm weiter ausbauen und neue Kooperationen mit Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen eingehen. Ziel ist es, noch mehr begabte junge Menschen zu erreichen und sie auf ihrem Weg in eine erfolgreiche berufliche Zukunft zu unterstützen. Dazu werden wir die bestehenden Partnerschaften intensivieren und neue Kooperationsmöglichkeiten suchen. Unsere Talente im Programm werden wir noch intensiver mit Workshops, Seminaren und Praktika unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Fähigkeiten und Interessen weiterzuentwickeln. Unternehmen sollen ermutigt werden, Praktikums- und Ausbildungsplätze anzubieten und den Talenten den Zugang zu spannenden beruflichen Perspektiven zu ermöglichen. Derzeit bauen wir eine Alumni-Sparte auf. Die Absolventen können dadurch ihre Erfahrungen und Erkenntnisse an die jüngeren Generationen weitergeben, ein Netzwerk aufbauen und so die MINT-Talentförderung nachhaltig unterstützen. Unser Ziel ist es auch, die politischen Entscheidungsträger auf Länder- und Bundesebene dazu zu ermutigen, die Förderung von MINT-Talenten in der Bildungs- und Wirtschaftspolitik stärker zu berücksichtigen und die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche MINT-Talentförderung zu verbessern. Ein zentraler Baustein, der mir persönlich sehr wichtig ist, ist die kontinuierlich Evaluation und Weiterentwicklung des Programms, um sicherzustellen, dass es den Bedürfnissen und Anforderungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gerecht wird. Aus allen veröffentlichten MINT-Studien wird deutlich, dass die Förderung von MINT-Talenten zu einem festen Bestandteil der Bildungslandschaft werden muss, damit wir den Wohlstand unseres Landes langfristig sichern und erhalten können. Daher wünsche ich mir auch einen ehrlichen Beitrag der Bildungspolitik, der die Förderung von Top-Talenten im MINT-Bereich stärkt.

 
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